"Die Herzen der Leuchtenberg" − Erinnerungskultur(en) einer europäischen Adelsfamilie im 19. Jahrhundert

"Die Herzen der Leuchtenberg" − Erinnerungskultur(en) einer europäischen Adelsfamilie im 19. Jahrhundert

Organizer
Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris / Musée national des châteaux de Malmaison et Bois-Préau / Bayerisches Nationalmuseum
Venue
Bayerisches Nationalmuseum
ZIP
80538
Location
München
Country
Germany
Takes place
In Attendance
From - Until
24.10.2024 - 26.10.2024
Deadline
15.04.2024
By
Jörg Ebeling, Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris

Internationales Kolloquium zu den Erinnerungskultur(en) in der Familie Leuchtenberg, organisiert vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte Paris (DFK Paris) gemeinsam mit dem Musée national des châteaux de Malmaison et Bois-Préau und dem Bayerischen Nationalmuseum, aus Anlass des 200. Todesjahrs des Gründungsvaters der Leuchtenberg-Dynastie, Eugène de Beauharnais, verstorben am 21. Februar 1824 in München (Kolloquium, 24. bis 26. Oktober 2024, Bayerisches Nationalmuseum München).

"Die Herzen der Leuchtenberg" − Erinnerungskultur(en) einer europäischen Adelsfamilie im 19. Jahrhundert

Aus Anlass des 200. Todesjahrs des Gründungsvaters der Leuchtenberg-Dynastie – Eugène de Beauharnais verstarb am 21. Februar 1824 in München − organisiert das Deutsche Forum für Kunstgeschichte Paris gemeinsam mit dem Musée national des châteaux de Malmaison et Bois-Préau und dem Bayerischen Nationalmuseum ein internationales Kolloquium zu den Erinnerungskultur(en) in der Familie Leuchtenberg. Die französisch-napoleonische Herkunft wie der Verlust einstiger Größe, der mit dem Gang ins bayerische Exil und einem Namenswechsel einherging, prägten nachhaltig ihre Stellung im Königreich Bayern, wo sie seit der Ernennung Eugènes zum Herzog von Leuchtenberg und Fürsten von Eichstätt durch Maximilian I. Joseph am 15. November 1817 die ranghöchsten Adligen außerhalb der königlichen Familie waren.
Vor dem Hintergrund der spezifischen erinnerungskulturellen Konstellation der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die gleichermaßen durch die neue Gefühlskultur der Epoche der Empfindsamkeit wie durch die Restaurationszeit mit ihren anti-französischen Tendenzen geprägt ist, soll die Ausbildung unterschiedlicher Erinnerungspraktiken und/oder Erinnerungskonzepte dieser bedeutenden Adelsfamilie untersucht werden. Ihre reiche materielle Hinterlassenschaft, darunter Erinnerungsalben, Memorialschmuckstücke, handwerkliche Erzeugnisse oder auch Einrichtungsgegenstände, die sich bis heute in öffentlichen wie privaten Sammlungen erhalten haben, ist Teil des Epochenphänomens der „unübersehbare[n] Konjunktur des dinglichen Andenkens in der materiellen Kultur des 19. Jahrhunderts“ [Holm/Oesterle 2005]. Neben Einzelobjekten hinterließen die Leuchtenberg eine zahlreiche Korrespondenz, Tagebücher, Sammlungen, Bibliotheken und Archive sowie eine typisch adelige Erinnerungs- bzw. Sachkultur bestehend aus Grabmonumenten wie etwa die Herzurnen in der Kapelle des Münchner Leuchtenberg-Palais (heute Wittelsbachergruft in St. Michael), Stiftungen oder auch Porträtserien. Als „Mittel zu Erinnerung“ sind sie beredte Ausdrucksformen für die innige Beziehung der einzelnen Familienmitglieder zueinander, die sich durch den frühen Tod des Vaters und durch die räumliche Trennung in Folge einer erfolgreichen Heiratspolitik intensivierte. Neben Frankreich, Italien und Bayern als den historischen Hauptwohnsitzen finden sich die Spuren der Familie auf Grund der Heirat von Joséphine von Leuchtenberg (1807–1876) in Schweden, von Amélie (1812–1873) in Brasilien, von Auguste (1810–1835) in Portugal und von Eugénie (1808–1847) und Théodelinde (1814–1857) in Süddeutschland (Fürstentum Hohenzollern-Hechingen, Württemberg). Mit der Heirat des jüngsten Sohns und Erben Maximilian, 3. Herzog von Leuchtenberg (1817–1852) am 14. Juli 1839 mit Marija Nikolajewna, der Tochter Zar Nikolaus I., beginnt schließlich die russische Phase der Familiengeschichte.
Die erstmalige Dokumentation der weltweit verstreuten „Artefakte und Medien“ aus Leuchtenberg-Besitz und ihre gemeinsame Neubewertung durch das Prisma der Erinnerungskultur, etwa der Frage von Materialität und Medialität, aber auch die Untersuchung haptischer Eigenschaften oder von Performativität ist Ziel des Kolloquiums, ebenso wie die Darstellung genauer Provenienzen. Wie Objekte innerhalb der Familie verschenkt, gewidmet, vererbt oder eventuell getauscht wurden, ist entscheidend für ihre genaue Verortung in den familiären Erinnerungspraktiken. Neben der sentimental-emotionalen Ausrichtung – z.B. Erinnerungsobjekte, „die der bedürftigen Seele zur Anlehnung dienen“ [Praz] oder das „Interieur als Fluchtorte in die Erinnerung“ − stellt sich für die neufürstliche Familie Leuchtenberg auch die Frage nach der Motivation von Erinnerung. Das Ausloten „sozialer Sinn- und Zeithorizonte“, etwa durch die Untersuchung des Vergangenheitsbezugs und einer noch zu definierenden Zielrichtung der familiären Erinnerungskultur(en) soll dazu beitragen, die Leuchtenberg, die sich in ihrer Zeit als Dynastie neu erfinden und behaupten musste, als eine „Gedächtnisgemeinschaft“ [Jan Assmann; Pierre Nora] des 19. Jahrhunderts besser zu verstehen.

Das Kolloquium bildet den Abschluss eines langjährigen Forschungsprojektes, mit dem nach Frankreich und Italien nun Bayern als letzte der drei Lebensstationen des Prinzen Eugène in den Fokus der Forschung gestellt wird. Der Untersuchungszeitraum schließt die Lebenszeiten seiner Ehefrau Auguste Amalie von Bayern (gest. 1851), die als Kontrollinstanz das Andenken an den Prinzen Eugène („Honneur et fidelité“) entscheidend lenkte und formte und seiner direkten Nachkommen mit ein. Vergleichsbeispiele aus anderen Familien oder nationalen Kontexten, die Fragen der aristokratische Erinnerungskultur im 19. Jahrhundert behandeln, sind ebenso willkommen wie transdisziplinäre und transkulturelle Forschungsansätze. Mögliche Themen sind: Objekte und Objektbiographien (u.a. Andenken, Memorialschmuck, handwerkliche Erzeugnisse); − Geschenkkultur; − Erinnerungsalben inklusive Fragen zur Performativität; − Kommunikationskultur (u.a. Briefe, Tagebuch); − Andenken in der Literatur (u.a. Biographien, Briefeditionen); − Denkmäler (u.a. Erinnerungstafeln, Grabmonumente); − Sammlungen (u.a. Archive zwischen „Funktionsgedächtnis“ und „Speichergedächtnis“, Bibliotheken, Kunstsammlungen); − Orte; − Wohnkultur und Materialität; − Feste; − Reisen; − Bildkultur (u.a. Porträt); − Familien- und Freundschaftskult.

Das Kolloquium findet vom 24. bis 26. Oktober 2024 in Präsenz im Mars-Venussaal im Bayerischen Nationalmuseum in München statt, und richtet sich auch an Nachwuchswissenschaftler:innen. Die Vorträge sind auf 30 Minuten begrenzt, mit einer anschließenden fünfzehnminütigen Diskussion. Vorschläge in deutscher, französischer oder englischer Sprache mit ca. 3.000 Zeichen (einschließlich Leerzeichen) inkl. einer kurzen Biografie und Kontaktdaten (inkl. E-Mail-Adresse, Anschrift und Institution) werden bis zum 15. April 2024 an folgende Adresse erbeten: leuchtenberg@dfk-paris.org
Eine Mitteilung über die Aufnahme der Einreichungen erfolgt bis spätestens Anfang Mai 2024.

Organisationskomitee:
Elisabeth Caude, Directrice du Service à Compétence Nationale des musées nationaux des châteaux de Malmaison et Bois-Préau, de l’île d’Aix et de la Maison Bonaparte à Ajaccio
Dr. Jörg Ebeling, Forschungsleiter, Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris
Dr. Sybe Wartena, Wissenschaftlicher Referent für Möbel, Musikinstrumente, Spiele und Stadtmodelle, Bayerisches Nationalmuseum

Wissenschaftliches Komitee:
Dr. Birgit Jooss, Wittelsbacher Ausgleichsfonds, Leiterin Kunst und Tradition
Dr. Sylvia Krauss-Meyl, Archivdirektorin a.D. im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München
Dr. Lars Ljungström, Head of the Department of Collections and Documentation, The Swedish Royal Collections, Schweden
Prof. Dr. Hans Ottomeyer, ehemaliger Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum in Berlin
Marina Rosa, Vorsitzende des Centro documentazione Residenze Reali lombarde

Ausgewählte Literatur zur Familie Leuchtenberg:
- Adalbert von Bayern, Die Herzen der Leuchtenberg: Geschichte einer bayerisch-napoleonischen Familie, München : Nymphenburger, 1992 (Neuauflage).
- Zoia Belyakova, Grand Duchess Maria Nikolayevna and her palace in St. Petersburg […], Sankt Petersburg, EGO, 1994.
- Leo Hintermayr, Das Fürstentum Eichstätt der Herzoge von Leuchtenberg 1817−1833, München: Beck'-sche Verlagsbuchhandlung 2000 (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte, Bd. 124).
- Leuchtenberg: Zeit des Adels in Seeon und Stein, Ausstellungskatalog Kloster Seeon, Seeon: Kloster Seeon, Kultur- und Bildungszentrum des Bezirks Oberbayern, 2008.
- Richard Diener, Die russischen Herzöge von Leuchtenberg in Stein an der Traun und in Seeon und ihre Vorgeschichte, Eichstätt: Historischer Verein, 2009.
- George Vilinbachov and Magnus Olausson (Hg.), Staging power: Napoleon, Charles John, Alexander, Ausstellungskatalog Nationalmuseum Stockholm, Stockholm, 2010.
- Jörg Ebeling u. Ulrich Leben (Hg.), Ein Meisterwerk des Empire. Das Palais Beauharnais in Paris, Residenz des deutschen Botschafters, Tübingen: Wasmuth Verlag, 2016.
- Christophe Pincemaille (Hg.), Auguste Amélie de Leuchtenberg: Lettres au baron Darnay (1825−1837), Éditeur Falaises (Editions des), 2020.
- Bernhard Graf, Napoleons Erben: die Herzöge von Leuchtenberg, München: Allitera Verlag, 2021.
- Élisabeth Caude (Hg.), Eugène de Beauharnais, un prince européen, Ausstellungskat. Rueil-Malmaison, Paris, 2022.
- Claudia Thomé Witte, D. Amélia – A história não contada: A neta de Napoleão que se tornou imperatriz do Brasil, Lissabon, Leya: 2023.

Ausgewählte Literatur zur Erinnerungskultur:
- Hans Ottomeyer (Hg.), Das Wittelsbacher Album: Interieurs königlicher Wohn- und Festräume 1799 – 1848, München: Prestel, 1979.
- Gisela Zick, Gedenke mein: Freundschafts- und Memorialschmuck 1770-1870, Dortmund: Harenberg, 1980 (Die bibliophilen Taschenbücher; 212).
- Biedermeiers Glück und Ende: ... die gestörte Idylle 1815 – 1848, Ausstellungskatalog Stadtmuseum München, 10. Mai - 30. September 1987, hg. von Hans Ottomeyer, München: Hugendubel, 1987.
- Aleida Assmann, Erinnerungsräume: Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München: Beck, 1999.
- Günter Oesterle (Hg.), Erinnerung, Gedächtnis, Wissen: Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2005, darin: Werner Rösener, Adelige Erinnerungskulturen im Mittelalter, S. 405−426; Christiane Holm u. Günter Oesterle, Andacht und Andenken. Zum Verhältnis zweier Kulturpraktiken um 1800, S. 433−448.
- Käufliche Gefühle: Freundschafts- und Glückwunschbillets des Biedermeier, Ausstellungskatalog Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, 28. Oktober 2004 bis 23. Januar 2005, hg. von Yasmin Doosry, Nürnberg: Verl. des Germanischen Nationalmuseums, 2004.
- Der Souvenir: Erinnerung in Dingen von der Reliquie zum Andenken, Ausstellungskatalog Museum für Angewandte Kunst u. Museum für Kommunikation Frankfurt, Main, Köln: Wienand, 2006.
- Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München: Beck, 2007 (6. Auflg.).
- Bettina Gockel und Miriam Volmert (Hg.), Wahrnehmen, Speichern, Erinnern: memoriale Praktiken und Theorien in den Bildkünsten 1650 bis 1850, Berlin: De Gruyter, [2018], darin: Katja Saporiti, Erinnerung und Repräsentation, S. 29−45.

Contact (announcement)

leuchtenberg@dfk-paris.org

https://www.dfk-paris.org/de/event/die-herzen-der-leuchtenberg-3897.html
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